Deeper als deep – ein ausführliches Gespräch mit The Soft Moon

In seinen besten Momenten hört sich Deeper an wie eine Reise ins Innere des Körpers. Hämmernde Beats treffen auf heulende Synthies und schaffen eine beklemmende Atmosphäre. Wo man früher nur

In seinen besten Momenten hört sich Deeper an wie eine Reise ins Innere des Körpers. Hämmernde Beats treffen auf heulende Synthies und schaffen eine beklemmende Atmosphäre. Wo man früher nur Wortfetzen wahrnehmen konnte, gibt es heute nahezu klare Vocals. Deeper ist Luis Vasquez alias The Soft Moons bisher persönlichstes Werk. Ein Album das die Düsternis frönt, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang an Glaubwürdigkeit einzubüssen. Alexandra Baumgartner hat mit Luis via Skype ausführlich darüber gesprochen.

Am Freitag erscheint dein Album hier bei uns in der Schweiz, wie stehst du der Veröffentlichung gegenüber?

Ich freue mich. Ich bin immer auch gespannt auf die Reaktionen zum Album. Wir werden sehen, ich habe keinerlei Erwartungen. Die Platte ist sehr persönlich. In meinen Augen habe ich erreicht, was ich machen wollte und ich bin ziemlich glücklich damit. Ich denke, dass wir jetzt abwarten müssen, um zu sehen was die Leute dazu meinen.

Für die Aufnahmen bist du nach Italien gereist, denkst du das Album würde anders klingen, wenn du es in Berlin aufgenommen hättest?

Ja, wahrscheinlich schon. Vielleicht ein bisschen elektronischer. Obwohl es eigentlich schon ziemlich elektronisch ist. Der erste Song, den ich für das Album geschrieben habe, ist in Berlin entstanden. Das war vor zwei Jahren. Es war also ein bisschen so, als hätte Berlin schon von Anfang an die Richtung des Albums bestimmt. Zu jener Zeit lebte ich noch in Italien, aber es hat sich so angefühlt als wäre Berlin irgendwo immer in meinem Kopf.

Deeper ist in enger Zusammenarbeit mit Maurizio Baggio im Hate Studio in der Nähe von Venedig entstanden, wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen, hattet ihr das schon lange geplant?

Nein, das war nicht geplant. Er war der Tontechniker auf einiger meiner Touren. Wir haben eine Menge Zeit zusammen verbracht. Im Van zum Beispiel, oder wir haben uns ein Hotelzimmer geteilt und solche Dinge. Das hat uns die Gelegenheit gegeben, uns vertraut zu werden und sich in der Gegenwart des Anderen wohl zu fühlen. Das ist der Grund, weshalb ich mich entschieden habe, mit ihm zusammen zu arbeiten. Auch weil er meine guten und meine schlechten Seiten auf der Tour miterlebt hat. Man ist verwundbarer, wenn man mit Leuten auf engem Raum lebt, weil sie so all deine Seiten zu Gesicht bekommen.

Das Album ist nicht in einem Zug aufgenommen worden, ihr habt über mehrere Monate lang daran gearbeitet, wie hat das konkret ausgesehen?

Ich habe alles zuhause in meiner Wohnung geschrieben. Alle drei bis vier Wochen bin ich für rund eine Woche zu ihm [Maurizio] ins Studio. Dort haben wir dann gemeinsam an den Songs gearbeitet. Der grösste Teil der Arbeit hat aber zuhause in Berlin stattgefunden. Zumindest der grösste Teil des Songwritings. Im Studio ging es mehr darum zu experimentieren oder an der Tonqualität zu arbeiten, manchmal kamen auch neue Ideen hinzu. Hier kam Maurizio ins Spiel. Ich stand seinen Ideen immer sehr offen gegenüber und er hat meine Ansichten immer sehr gut verstanden. Ich denke, diese Dynamik war echt toll. Wir waren eine lange Zeit gemeinsam auf Tour und ich glaube, dass er dadurch auch meine Vision ganz gut verstand. Das war auch der Grund, weshalb ich ihn mitreden liess.

Deeper klingt in der Tat anders als die zwei früheren Alben von The Soft Moon, deine Stimme steht zum Beispiel viel klarer im Vordergrund – mit «Wasting» gibt es es sogar beinahe einen Popsong auf dem Album.

Meine erste Musikliebe galt der Popmusik, durch sie habe ich mich erst für Musik zu interessieren begonnen. Ich glaube ich habe Pop schon immer gemocht und irgendwie schon immer Pop geschrieben. Vielleicht etwas mehr im Leftfield-Bereich mit den früheren Alben. Mit diesem neuen Album wollte ich jedoch besser ausdrücken, wer ich bin und mich nicht länger hinter einem Mysterium verstecken, so wie ich es früher getan habe. Ausserdem habe ich schon immer tolle Popsongs schreiben wollen. „Wasting“ war also gewollt – es hat ziemlich düster begonnen, als ich den Song jedoch weiterentwickelte, habe ich realisiert, dass es meine Chance sein könnte, diesen einen Popsong zu machen.

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In einigen Songs erinnern die Beats sehr stark an Pulsschläge, was unglaublich mechanisch wirkt. Im Gegensatz dazu hört sich deine Stimme umso menschlicher an, gerade wenn sie diese Wand durchbricht. Mit welchen Gefühlen oder Bildern assoziierst du deine Musik?

Ich glaube, die Musik die ich mache, ist sehr biologisch, gleichzeitig aber auch sehr mechanisch – was ja in gewisser Hinsicht das gleiche ist. Ich war schon immer fasziniert davon, ein menschliches Wesen zu sein. Für mich fühlt es sich schlicht seltsam an, eines zu sein. Und so versuche ich herauszufinden, was es bedeutet, tatsächlich eines sein. Ich bin neugierig und fasziniert davon, also versuche ich es rational und emotional zu erforschen.

In all deinen bisherigen Veröffentlichungen spürt man, dass du viel Wert auf den rhythmischen Aspekt der Musik legst – woher kommt das?

Meistens starte ich mit der Perkussion und kreiere einen Beat. Ich gebe viel darauf, Musik zu machen, zu der man tanzen kann. Ich mag den Effekt, den die Musik auf den Körper hat. Diese Kraft, durch blosses Zuhören physisch bewegt zu werden. Für mich verkörpert dieser Effekt den Optimismus inmitten einer Dunkelheit. Wenn man es tanzbar macht, dann ist das wie ein kleiner Funke Hoffnung und es ist nicht gänzlich finster. Es gibt da ein Licht am Ende des Tunnels.

Hattest du auch schon das Gefühl, dass du zu viel von dir preisgibst?

Ja, darüber habe ich mir schon viele Gedanken gemacht. Es ist beängstigend, sich selbst so darzustellen. Insbesondere wenn dich die Leute auch kritisieren. Ich schaffe damit eine grössere Angriffsfläche, was eine ziemlich beängstigende Angelegenheit sein kann. Gleichzeitig möchte ich mit meiner Musik aber auch so ehrlich wie möglich sein. Ich habe wirklich keine Angst mehr das zu tun und ich werde damit auch weitermachen.

Musik zu machen ist ein sehr persönlicher Vorgang, wo in diesem Prozess gehören die Hörer hin?

Sie sind immer im Hinterkopf. Ich drücke mich auf meine ganz eigene Art aus, versuche mich aber gleichzeitig auch mit den Hörern zu befassen. Wenn ich die Hörer nicht in Betracht ziehe, dann werden sie dem, was ich ausdrücken möchte, keine Beachtung schenken.

Und ich möchte, dass die Leute sich mit meinen Gefühlen identifizieren können. Obwohl meine Herangehensweise vielleicht etwas anders ist, vielleicht etwas unorthodox – oder wie auch immer man bezeichnen möchte. (überlegt) Ja, ich mag es insbesonders, wenn Leute, die sonst nicht unbedingt meine Art Musik hören, einen Bezug zu meiner Musik herstellen können. Das ist für mich immer der Moment, in dem ich das Gefühl habe, dass ich etwas erreicht habe.

Auf Twitter hast du geschrieben, dass du dich bei all denjenigen bedanken möchtest, die dich als „Dark Horse“ in der gegenwärtigen Musikszene unterstützen. Möchtest du dieses „Dark Horse“ sein?

(Lacht) Ich hatte getrunken als ich diesen Tweet geschrieben habe. Es war ein Drunk-Tweet. Aber ja… (überlegt) Ich möchte, dass die Leute mich kapieren und ich sehe ein, dass meine Musik nicht einfach zu hören ist. Ich schätze Leute sehr, die meine Musik verstehen. Ich weiss nicht, ich bin wohl einer dieser Musiker, die etwas wirklich Echtes machen wollen, etwas wirklich Ehrliches. Inmitten all jener Musik, zu der man bloss am Freitagabend ausgeht oder die man als Teenager macht. Ich möchte Leute dazu bringen, etwas zu spüren, ich möchte Leute dazu bringen einen Blick in den Spiegel zu werfen. Darum habe ich diesen Tweet geschrieben. Das bedeutet mir echt viel.

Deine Musik wir ja gerne und häufig als düster oder depressiv bezeichnet – manchmal auch ausschliesslich. n einer Review des Magazins „The Quietus“ ist im Zusammenhang mit deiner Musik nun auch die Rede von „space age gothic“, was meinst du dazu?

Ich weiss nicht. Irgendwie weiss ich nicht genau, was sie damit gemeint haben, aber ich glaube ich verstehe es. Es ist düstere Musik, gleichzeitig ist der psychologische Effekt der Musik sehr weit gefasst. Die Frage nach dem Sein fasziniert mich und meine Themen handeln von der Existenz, davon am Leben zu sein. Hm, das ist halt irgendwie kosmisch. Das ist vielleicht der Zusammenhang… (überlegt) ich glaube ich würde es wohl „cosmic goth“ nennen. (lacht)

Mit Deeper wirst du schon bald auf Tour gehen, das ist nichts neues für dich. Mit The Soft Moon tourt ihr jeweils lange und ausgiebig. Wie fühlt es sich an, wenn man nach Monaten im Proberaum wieder draussen auf der Bühne steht?

Es ist lebensverändernd, auf einer so langen Tour… insbesondere für mich persönlich. Liveauftritte sind sehr kathartisch für mich, eine totale Befreiung. Das Album zu schreiben ist eher ein innerlicher Prozess. Es ist sehr analytisch und ich absorbiere mich selbst. Das kann quälend sein. Diese Songs zu schreiben ist für mich sehr schmerzvoll, weil ich weiss, dass ich dem ausgeliefert bin, sobald ich mich in die Arbeit zu einem Song stürze – dass es mich sogar zum Weinen bringen kann. Aber ich stelle mich der Herausforderung, weil ich weiss, dass es sich am Ende besser anfühlt. Im Gegensatz dazu stellen die Liveauftritte den äusserlichen Prozess dar. Sie stehen für diese völlige Befreiung. Je mehr ich freilassen kann, desto näher komme der Glückseligkeit.

Verändert sich deine Herangehensweise zum Album oder zu den Songs während der Tour?

Nein, es ist sehr unterschiedlich. Jede Nacht ist anders. Liveauftritte sind sehr spontan, nichts ist vorhersehbar. Ich versuche mich dem zu stellen, es völlig anzunehmen. Diesen Aspekt mag ich wirklich sehr.

Anderes Thema – du giltst als Liebhaber türkischer Psych-Rock der 60er und 70er Jahre, was gefällt dir an der Ästhetik dieser Stilrichtung?

Ich mag die Gesangsmelodie, die Instrumentalisierung. Es ist etwas, dass ich nicht im Stande bin, selber zu machen. Das finde ich faszinierend. Es ist eine total andere Musikkultur und ich lerne davon.

Inwiefern kannst du davon lernen?

Nun, ich denke es ist eher so, dass ich es erforsche. Zum Beispiel… (holt ein Instrument hervor) als ich in Istanbul war, habe ich mir das hier gekauft, (zeigt eine Zurna, eine Art Flöte), ich glaube es heisst Zurna oder so. Es ist ein türkisches Windinstrument, wie eine Flöte, aber es macht ein sehr irritierendes Geräusch. Ein bisschen wie eine Kombination aus einer Trompete und einer Flöte. Solche Dinge inspirieren mich. Schon bevor ich dieses Instrument hatte, habe ich versucht mit meinen Synthesizer, die Töne die auf solchen Instrumenten gespielt werden, irgendwie nachzuahmen. Es hat mich also eher auf einer akustischen Ebene inspiriert. Ich habe Dinge gehört, die ich vorher noch nicht kannte.

Sammelst du noch immer viel Musik?

Nicht mehr wirklich. Was eigentlich ironisch ist, denn jetzt reise ich mehr. Vor ungefähr drei Jahren habe ich wie wild Platten gesammelt. Jetzt habe ich das ein wenig zurückgefahren. An diesem Punkt in meinem Leben möchte ich als Songwriter so echt sein wie möglich und so einzigartig bleiben wie ich kann. Auch weil ich nicht anders kann, als alles zu absorbieren, das ich höre. Im Moment höre ich nicht so viel Musik und wenn ich es doch tue, dann gehe ich in der Zeit zurück und höre mir meine alten Platten an. (überlegt) Ich glaube, dass ich in Bezug auf unterschiedliche Inspirationsquellen, an diesem Punkt im meinem Leben alles erlangt habe, was ich brauche. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte ich an einer Schule einen Abschluss gemacht. Und nun zehre ich von all dem, was ich gelernt habe und mache meine eigene Musik.

The Soft Moons Deeper ist ab heute auf Captured Tracks erhältlich.